Rede Von Klaus Weber

Der Schlachthof in Rottenburg muss erhalten bleiben!

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Ich danke allen UnterstützerInnen, die in der Sonne bis um 12.00 Uhr gewartet haben, insbesondere den anwesenden Veganern und Vegetarierinnnen, die hier für den Erhalt unseres Schlachthofs demonstrieren.

In die Diskussion um den Rottenburger Schlachthof ist Dank des Drucks der Initiative zum Erhalt des Schlachthofs von Seiten der Stadt erfreulich viel Bewegung gekommen. Erstmals zeigte sich die Stadt am Donnerstag bereit, den Fortbestand einer Schlachtmöglichkeit in Rottenburg mitzutragen. Nun gilt es beharrlich weiterzumachen, damit es zu keiner Rolle rückwärts kommt. Als Endverbraucher, der den Erhalt des Rottenburger Schlachthofs will, möchte ich noch einmal die vielen lokalen und überregionalen Gründe zusammenfassen, die für unseren Schlachthof sprechen.

1. Als Konsument ist die erste Frage natürlich, welches Fleisch ich essen will.

Vor Jahren habe ich gelesen, dass man Emmentaler Käse nicht aus der Milch von Kühen herstellen kann, die mit Silage gefüttert werden. Dann kam BSE. Fleisch von Rindern, Pflanzenfresser die in der Turbomast Tiermehl erhielten, übertrug eine für Menschen tödliche Gehirnerkrankung. Viele Jäger verwerten lieber Wildschweine, die einzeln geschossen wurden. Der Stress der Drückjagd verändert den Geschmack und Qualität des Fleisches. Futter, Haltungsbedingungen und Stress verändern den Stoffwechsel der Tiere und als Folge unseren menschlichen Stoffwechsel als Konsumenten des Fleisches.

Die einzige Chance Fleisch zu bekommen, dass ich verantwortlich und mit Freude essen kann setzt lokale Strukturen voraus wie unseren Schlachthof.

2. Das Gegenteil einer verantwortlichen Tierhaltung ist die industrielle „Fleischproduktion“ just in Time.

 

Massentierhaltung bedeutet Aufzucht von Tieren mit Antibiotika, Doping, Beruhigungsmittel etc.. Artgerechter Haltung braucht überschaubare Betriebs- bzw. Gruppengrößen. Das leisten unsere Landwirte im Umkreis.

Die Qual der Tiere in mehrstöckigen „Fleischfabriken“, eng getaktet zwischen Ferkelzucht und Großschlachthöfen, die nur in Alter und Gewicht genormte Tiere abnehmen, ist die Folge reiner Profitorientierung. Wegen Corona geschlossene Schlachthöfe verschieben ihre Warenströme - das ist ein Originalzitat - nach Holland und Süddeutschland. Lebewesen, nicht Waren werden da durch die Lande gekarrt. Fallen zwei Großschlachthöfe aus, droht die Situation, dass Tausende Schweine - man nennt das Keulen - getötet und entsorgt werden müssen. Sie können später nicht mehr geschlachtet werden und es fehlt der Platz für die nächsten Ferkel. Wollen wir das oder doch lieber unsere flexiblen lokalen Schlachthöfe in Rottenburg, Balingen und Metzingen?

3. Schlachthof ist nicht gleich Schlachthof.

Jeder Schlachthof hat ein eigenes Leistungsprofil. Der Rottenburger Schlachthof hat außergewöhnlich viele Zulassungen und Leistungsangebote. Deshalb kann er individuell wesentliche Leistungen auch für Nebenerwerbslandwirte und private Tierhalter anbieten, die die Großschlachthöfe nicht kennen und die auch Gärtringen bisher nicht abdecken kann. MASKE. Auch darum bin ich für den Erhalt des Schlachthofs in Rottenburg.
 

4. Folgen einer Schlachthofschließung für Tierhalter und Kulturlandschaft

Erschrocken erfuhr ich in der Initiative für den Erhalt des Schlachthofes, dass ca. 30% Bauern und Selbstvermarkter die Schafhaltung, die Schweine- oder Rinderaufzucht einstellen müssten ohne unseren Schlachthof. Bei den Schafhaltern, die unter anderem die Freiflächen und Wacholderheiden an der Wurmlinger Kapelle, am Österberg, am Schönbuchhang und an der Weilerburg erhalten, betrifft das praktisch alle größeren Betriebe der Umgebung und Privathalter. Der Mehraufwand ohne den Schlachthof vor Ort macht die Tierhaltung vollends unlohnend. Arbeiten und zuzahlen, das ist niemandem zuzumuten. Auch darum brauchen wir einen Schlachthof in Rottenburg, wenn wir unsere schöne Landschaft erhalten wollen.
 

5. Kosten und Landschaftsverbrauch bei einem Neubau

Bisher gingen die Berechnungen davon aus, dass ein neuer Schlachthof teurer wird als die Sanierung des alten. Jetzt soll ein neuer Schlachthof billiger sein. Bemerkenswerterweise weigerte sich die Stadtspitze am letzten Donnerstagabend einen Kostenvergleich und eine Vergleichsplanung für Neu- und Altbau durchführen zu lassen. Ein Neubau führt zu einer Flächenversiegelung, die dann als landwirtschaftlicher und Natur-Raum fehl.

Aus unserer Sicht spricht ohne die Vergleichsprüfung nichts gegen den Erhalt eines geschützten Kulturdenkmals in Rottenburg in seiner ursprünglichen Funktion.
 

6. Industrielle Fleischproduktion hat Gesundheitsfolgen.

Übermäßiger Fleischverzehr schadet der Gesundheit. Es ist besser weniger und dafür qualitativ hochwertiges Fleisch zu essen.

Was Sie vielleicht nicht wissen: Laut Robert Koch Institut sterben jedes Jahr 10.000-20.000 Menschen in unseren Krankenhäusern durch antibiotikaresistente Keime. Viele dieser Keime stammen aus der Massentierhaltung, die ohne Antibiotika nicht machbar ist. Diese Keime werden sich weiterverbreiten. Was Sie auch nicht wissen: Wahrscheinlich gibt es keine wirklich neuen Antibiotika mehr, weil alle Wirkwege ausgereizt sind! Fast alle großen Pharmakonzerne haben deswegen die Forschung aufgegeben. In 5 Jahren sterben mehr Menschen durch diese Keime, als wir coronassoziierte Todesfälle hatten: Warum gibt es keinen Lock-Down für die Massentierhaltung? Vögel und Insekten sterben aus durch Futtermittelmonokulturen im Norden und Osten. Die Gülleseen verseuchen das Grundwasser. Wir brauchen unsere kleinteiligere bäuerliche Landwirtschaft vor Ort und den damit verbundenen Schlachthof in Rottenburg.
 

7. Das Tierwohl schützen wir nicht ohne die lokalen Anbieter.
Wer Fleisch essen möchte muss Tiere töten lassen. Das mindeste dürfte dann doch sein, dass man diese Tiere bis zu ihrem Tod möglichst gut behandelt. Zum Tierwohl gehört neben der guten Tierhaltung ein schonender kurzer Transport und letztlich auch eine optimale Schlachtsituation bezüglich der Wartezeiten, der Unruhe etc., die nur kleinere Schlachthöfe wie unserer in Rottenburg bieten können. Hier gibt es keine Schweine, die wie in den Großschlachthöfen beim Vergasen in Gruppen Todesängste leiden.

 

8. Sichere Versorgung durch massenorientierte Monopolstrukturen ist eine Illusion.

Nicht die Massenproduktion einiger Großkonzerne kann unsere Fleischversorgung sichern, sondern nur eine dezentrale Tierzucht und Weiterverarbeitung. Die Schweinepest - für Schweine fast immer tödlich - kommt aus dem Osten und ist bereits an der Oder angelangt. Sie wird zu uns kommen durch Wildschweine oder ein weggeworfenes Salamibrot mit dem Virus. Dann muss der überregionale Transport und Vertrieb eigestellt werden. In China wurden Millionen Schweine gekeult und verbrannt. Sardinien darf keine Salami mehr ans Festland liefern. Haben Sie Lust in der Schlange an der Landkreisgrenze zu warten um mit Ihrem PKW durch ein Desinfektionsbecken zu fahren? Darum fordern wir lokale Produktion und Verarbeitung in unserem Schlachthof und bei unseren Metzgern.
 

9. Erhalten wir Handwerkskunst und Angebotsvielfalt in Metzgereien und Gastronomie.

Wir brauchen für eine gute Grundversorgung nicht so viel Schlachttiere wie bisher.

Großbetriebe in der Schlachtung und beim Zerwirken stellen nur das her, was in großen Mengen verkauft wird. Der Rest - ein großer Teil des Schlachtgewichts - wird exportiert oder landet in Tierfutter. Nur lokale Schlachthöfe, Metzger und Gastronomen können mit ihrer handwerklichen Kunst das „von Kopf bis Schwanz Prinzip“ umsetzen. Dabei landet fast das gesamte Tier auf unseren Tellern. Das lokale Handwerk erhält die Vielfalt der Geschmackserlebnisse und das Kulturgut der Metzger- und Kochkunst. Dazu brauchen sie und wir lokale Schlachthöfe wie unseren Rottenburger Schlachthof.
 

10. Unser Konsum ist verbunden mit der „Dritten Welt“.

Wie schon erwähnt: Was nicht Schnitzel, Braten, Steak und Hackfleisch ist, wird durch Tönnies und Co. subventionsgestützt zu Billigstpreisen nach Afrika und in asiatische Länder verkauft. Das zerstört die Landwirtschaft in diesen Ländern. Die Bauern dort können unmöglich Fleisch zu diesen Importdumpingreisen produzieren. Daraus folgt Not und Perspektivlosigkeit - eine der Hauptfluchtursachen. Unser Massenverzehr von vermeintlich billigem Fleisch ist das Gegenteil der Bekämpfung von Fluchtursachen. Wir schaden damit nicht nur Tieren sondern Menschen. Billigfleisch kommt allen teuer zu stehen.

Darum bin ich für lokale Produktion, Schlachtung, Verarbeitung und Verzehr.
 

11. Wie wir mittlerweile wissen, sind Tierwohl und Menschenwohl miteinander verknüpft.

Ein italienischer Staatsanwalt beschrieb einen Unterschied zwischen Italien und Deutschland. In Italien werden die Mafia und Co. bekämpft. In Deutschland sieht man lieber nicht hin. Seit Jahren sind die rechtswidrigen Strukturen, die Großbetrieben Arbeitskraft zu unmöglich niedrigen Preisen liefern, offensichtlich und bekannt. Menschen wurden und werden weit unter dem Mindestlohn übel ausgebeutet, bedroht und unser Rechtssystem unterlaufen. Wollen wir das? Nein, wie müssen alle kleinen Schlachthöfe erhalten, die nach Tarif bezahlen und gesellschaftlich verantwortlich arbeiten.
 

12. Die Kernfrage für viele: Können wir uns das Grillen und den Braten leisten ohne Massenproduktion?

Ich denke ja! In unserer Einkaufsgemeinschaft kostet ein Kilo Rote in Bioqualität 6,- € plus Zeitaufwand und Abnahme von Fleisch, bei dem man sich überlegen muss, wie man es nutzt. Wer den Aufwand scheut - und das werden auch bei uns immer mehr - zahlt gerne etwas mehr für die Dienstleistungen unserer Metzger und Dirketvermarkter, weil er/sie die damit verbundene Mehrarbeit selbst erlebt hat. Aber wir haben ja die Wahl. Es muss ja nicht jeden Tag Fleisch geben. Und wenn, dann genießen wir das Grillen mit ruhigem Gewissen und leckerem Fleisch aus unserem Schlachthof. Guten Appetit!

 

Wie geht es weiter?

Wir hoffen sehr, dass Sie sich alle weiter für den Erhalt des Schlachthofs in Rottenburg einsetzen. Zwei Forderungen, gilt es als nächstes umzusetzen:

  1. In die die Planungsvorbereitung durch die Stadt muss ein Kostenvergleich von Neubau und Sanierung des alten Schlachthofes einbezogen werden.
  2. Herr Helle braucht als Schlachthofbetreiber einen Pachtvertrag, der ihm eine wirtschaftlich sinnvolle Planung ermöglicht. Sein Vertrag läuft Mitte des kommenden Jahres aus und er braucht eine zumutbare Handlungssicherheit.